Reiseberichte
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2020 – ein ganz besonderes Jahr, mit der Corona-Krise und all ihren Folgen und Schwierigkeiten. Deshalb war ich auch freudig überrascht, als ich als Wanderleiterin für diese fünftägige Wandertour gebucht wurde. Und gleich darauf etwas erschrocken, als mir mitgeteilt wurde, diese sei eine ganz besondere Gruppe, denn der Froschkönig persönlich sei mit dabei.
So erwartete ich, auf dem Prüfstand zu sein, ich sah es jedoch auch als eine ganz besondere Herausforderung, die für mich der Ansporn war, alles ganz besonders gut zu machen.
Tag 1: Peitlerkofelscharte und Schlüterhütte mit Zenleserkofel
Helmut von Arc Alpin, dem lokalen Organisator, stellte am Abend der Anreise die Tour vor, so dass ich am nächsten Morgen nach einem guten Frühstück die siebenköpfige Gruppe fertig bepackt und startbereit im Hotel Schlemmer auf der Plose antreffe.
Das Wetter ist gut, die Luft angenehm frisch, gerade richtig für die heutige Wanderung, die uns auf die Peitlerkofelscharte und bis zu unserem heutigen Ziel, die Schlüterhütte führen soll. Nach einem etwas zu schnellen Start, zu dem wir auf der leicht ansteigenden Forststraße verleitet werden, gehen wir es nach der Kaffeepause auf dem steil ansteigenden Weg hinauf zur Scharte langsamer an und allmählich finden alle ihren Rhythmus.
Hungrig und durstig erreichen wir die Scharte, wo uns eine schöne Bank unter einem Kreuz, die doch tatsächlich frei ist, zur Rast einlädt. Wir sind erstaunt, wie weit wir bereits gekommen sind. Bis hinauf zum Peitlerkofel und zurück wäre es noch weit, deshalb beschließt die Gruppe einstimmig, diesen Gipfel mit dem etwas niedrigeren Zenleserkofel einzutauschen, nachdem wir die Rucksäcke in der Hütte abgestellt haben.
Ein Teil der Gruppe zieht es vor, die Kräfte für die nächsten Tage zu sparen und sich mit einem Durstlöscher auf die gemütliche Terrasse der Schlüterhütte zu setzen.
Es wird ein richtig gemütlicher Abend, zuerst mit ein paar Erinnerungsfotos auf dem kleinen Gipfel, auf dem aber immerhin ein stattliches Gipfelkreuz steht, dann auf der Terrasse mit einem erfrischenden Getränk, und schließlich an unserem gemütlichen Tisch auf der Veranda zum Abendessen. Der Blick auf die untergehende Sonne ist leider von den Wolken bedeckt.
Tag 2: Roascharte und Puezhütte
Unsere heutige Etappe ist lang und für den Nachmittag wird Regen gemeldet, deshalb wollen wir früh starten, denn unterwegs gibt es im Fall eines Gewitters keine Unterstände. Es hat die ganze Nacht geregnet, doch am Morgen ist das Wetter perfekt zum Wandern, nicht zu heiß und der Boden ist auch schon fast trocken.
Auch heute gibt es wieder Brote zum Mittagessen, die wir am Vorabend beim Hüttenwirt bestellt haben. Unser Weg führt uns zuerst an blühenden Wiesen entlang und wird dann immer steiniger und steiler, schlängelt sich in Windungen über die Roascharte hoch, während die felsigen Türme und Wände von Wasserkofel, Piz Duleda, Puezspitze und vielen anderen hoch über uns aufragen.
Wir sind beinahe überrascht, als wir endlich oben stehen und auf die andere Seite hinabblicken, rechts unter uns Col Raiser und Seceda, und in der Ferne die Seiser Alm vor der charakteristischen Kulisse des Schlerns. Fast alleine sind wir in der weiten Landschaft.
Etwas unterhalb der Scharte finden wir einen angenehmen, windgeschützten Platz, wo wir auf bequemen Steinen Mittagsrast halten. Die Stimmung ist gut, wir haben viel Spaß und es ist schön zu sehen, wie alle so gut miteinander auskommen.
Allmählich ziehen Wolken auf, wir müssen weiter. Bald schaffen wir den letzten steilen Anstieg hinauf zur Sieles-Scharte, wo sich der Blick hinunter ins Langental und nach Wolkenstein öffnet. Mühelos schaffen wir den mit Drahtseilen gesicherten Abschnitt und nach einem kurzen, steinigen Abschnitt, der etwas in die Beine geht, führt uns der Weg nun fast flach durch eine karge Landschaft mit weidenden Schafen. Die für heute geplante Gipfelbesteigung auf die Puezspitze fällt leider sprichwörtlich ins Wasser: immer dunkler wird es, kurz vor der Puezhütte fallen die ersten Regentropfen. Wir schaffen es gerade noch hinein in die Hütte, wo wir uns mit Tee und heißer Schokolade wäremn, bevor wir unseren Lagerraum beziehen.
Durch die Corona-Einschränkungen, die auch genügend Abstand untereinander vorsehen, bekommen wir einen großen Lagerraum ganz für uns. Auch die Tische in den Hütten stehen weiter auseinander, und wo dies nicht möglich ist, werden sie durch Plexiglas abgetrennt. Es ist mir fast unheimlich, wie man überall nur von Augen begrüßt wird, der Rest der Gesichter hinter dem Mundschutz versteckt.
Die erste Puezhütte wurde 1889 vom DuÖAV als eine der ersten Schutzhütten in dieser Gegend erbaut. Nach dem ersten Weltkrieg ging sie dem italienischen Alpenverein über, 1982 wurde wenig entfernt die neue Hütte gebaut, die heute nicht nur als Stützpunkt für den Höhenweg 2 dient, sondern auch als Tagesausflug von den verschiedensten Richtungen erreicht wird und nur im Sommer geöffnet ist.
Tag 3: Wanderung zum Grödnerjoch und Busfahrt zum Pordoipass
Die Wettervorhersage für heute ist schlecht, eigentlich soll es den ganzen Tag regnen. Zu unserer Freude zeigt sich der Himmel jedoch gnädig, etwas verschleiert, doch immer wieder kommt die Sonne hervor und die Temperatur ist perfekt zum Wandern.
Trotzdem wollen wir früh starten, denn am Nachmittag kommt der Regen bestimmt, und es gibt bis zur Jimmihütte nirgends einen Unterschlupf. Bereits am Vorabend haben wir Brote zum Mitnehmen bestellt, den Nachtisch und kühle Getränke sparen wir uns für die Jimmihütte auf.
Die gewöhnlich vielbegangene Strecke ist beinahe menschenleer, die Covid-Krise ist überall spürbar, doch für uns ist es eigentlich sehr angenehm: in den Hütten, in die wir einkehren, finden wir immer Platz, es ist nie zu laut, die wenigen Wanderer, denen wir begegnen, grüßen freundlich, genauso wie es früher war.
Interessante Wolkengebilde ziehen über die Mondlandschaft hinweg und schaffen mit ihren ständig sich wandelnden Schatten ein faszinierendes Farbenspiel. Spitz ragen hinter uns die Geislerspitzen auf, Sass Rigais, Piz Duleda und Puezspitze haben wir am Vortag von der anderen Seite aus gesehen.
Nach einer kurzen Rast und Stärkung schlagen wir den Weg nach links hinauf zum Gipfel des Ciampac ein, bei unserem langsamen, aber steten Schritt dauert es nicht lange, bis wir über die Kante die Sellagruppe, und ihr zu Füßen das Skigebiet des Alta Badia erblicken. Die Marmolada ist hinter den Wolken verschwunden, aber der Blick reicht bis zur Civetta, den Tofanen, dem Lagazuoi, dem Conturines und dem Kreuzkofel.
Bald ist der Gipfel des Ciampac erreicht, doch der Gedanke an das Wetter lässt uns nicht allzu lange verweilen. Also geht es weiter über den Grat bis zur Crespeina-Scharte, wo wir durch das Chedultal hinunter nach Wolkenstein schauen, im Hintergrund die beeindruckende Gestalt des Schlerns. Click-click-click, die Aussicht ist so schön, dass es uns in den Fingern juckt, die Kameras laufen heiß, auf jedem Joch ist es ein Schauen und Staunen.
Endlich können wir bei der Jimmihütte unseren Durst löschen und den Blick auf die Sellagruppe genießen. Die Vorfreude auf den morgigen Tag wird wach, denn der Piz Boè, mit seinen 3.152 Metern der höchste Gipfel der Sellagruppe, ist der Höhepunkt der ganzen Tour. Hoffentlich spielt das Wetter mit.
Es ist nur eine Viertelstunde bis hinunter zur Straße. Kurz bevor der Bus kommt, fängt es an zu regnen. Wieder einmal war uns das Wetter gnädig. Am Pordoipass angelangt und die Zimmer bezogen, starten eine Gruppenteilnehmerin und ich noch für eine kurze Runde Richtung Sass Becé, doch diesmal müssen wir bald aufgeben, denn das erwartete Gewitter kündigt sich nun doch durch lautes Donnergrollen an, die letzten Meter vor dem Hotel öffnet der Himmel seine Schleusen.
Tag 4: Piz Boé
Die Temperaturen sind gefallen, doch durch den verschleierten Himmel brechen einige scheue Sonnenstrahlen hindurch.
Einstimmig haben wir das Programm geändert, wir wollen unsere Knie schonen und die Seilbahn nicht für den Auf-, sondern lieber für den Abstieg nehmen. Von unserem Hotel Col di Lana brauchen wir nur die Straße überqueren und schon sind wir auf dem Weg, der uns nach oben führt. Langsam aber stetig steigen wir den sich in Serpentinen windenden, steinigen Weg bis zur Pordoischarte hoch und freuen uns auf einen wohlverdienten Kaffee in der Forcella Pordoi-Hütte, um uns für den Aufstieg zum leichtesten Dreitausender der Dolomiten zu stärken.
Die ebenen, gut gespurten Schneeflecken stellen kein Problem dar, bald sind wir mitten auf dem Hochplateau, um uns herum nur grauer Fels, grau ist nun auch der Himmel. Auf fast 3.000 Metern Höhe wird es Zeit, unsere Pullis aus dem Rucksack zu holen. Trotzdem frieren wir nicht, denn nun verläuft die Pfadspur steil nach oben, enge Serpentinen wechseln sich mit Drahtseilen ab, es ist nie allzu schwierig, aber jetzt werden wir wirklich von dem aufregenden Gefühl erfüllt, einen richtigen Berg zu erklimmen!
Je weiter wir steigen, desto mehr öffnet sich der Horizont, doch leider sind die umliegenden Gipfel vom Nebel umhüllt. Endlich flacht der Steig ab und fast unerwartet stehen wir vor der kleinen Schutzhütte des Piz Boè. Es fängt sogar an leicht zu schneien, an ein Mittagessen auf der Terrasse ist nicht zu denken. Doch wir haben es geschafft! Es ist noch recht früh, deshalb ist die Hütte ziemlich leer und wir finden leicht Platz in der behaglichen Stube.
Ob es die Anstrengung des Aufstiegs, die Höhe oder die urige Hütte ist, wissen wir nicht, aber das Brot mit Wurst, die Gemüsesuppe, die Spiegeleier, die Buchweizentorte, das kühle Bier für die einen, die heiße Schokolade für die anderen, all das schmeckt heute ganz besonders gut. Trotz der Corona-Einschränkungen und der Abtrennungen der Tische und der Theke mit Plexiglas ist es in der Hütte wirklich gemütlich und das Personal sehr nett.
Es ist Zeit für den Abstieg. Als hätten wir es bestellt, strahlt, sobald wir die Hütte verlassen, wieder die Sonne durch die Wolken hindurch. Es ist recht steil und an manchen Stellen auch ein wenig ausgesetzt, doch alle schaffen wir den Abstieg mühelos. Nun dürfen wir – und unsere Knie – uns darauf freuen, dass wir uns die Seilbahn für den Abstieg aufgespart haben.
Tag 5: Bindelweg, Fedaiapass und Pian dei Fiacconi
Heute wandern wir auf der gegenüberliegenden Talseite, von wo wir die Sellagruppe vor uns haben.
Nach einem kurzen Anstieg am Col Becé und den Pisten der Sellaronda vorbei flacht der Weg ab und wechselt auf die Südseite des Grats. Hier ragen die Marmolada mit ihrem allmählich schwindenden Gletscher und der Gran Vernel in ihrer ganzen Pracht zum Himmel hoch. Die Punta Penia, der höchste Gipfel der Marmolada-Gruppe und mit ihren 3.343 Metern auch der höchste der Dolomiten, wurde erstmals 1864 von dem bekannten Alpinisten aus Wien, Paul Grohmann bestiegen. Dennoch besteht sie nicht aus Dolomit, sondern vorwiegend aus kompakten Kalkgestein mit vulkanischen Einschlüssen.
Das Gehen ist angenehm, wir kommen flott voran und können uns an der bunten Blumenpracht erfreuen. Wir genießen die herrliche Aussicht zur Marmolada bei einem leckeren Kaffee an der Viel del Pan-Hütte und nehmen uns Zeit für Fotos und Selfies.
Die Gruppe hat sich in den wenigen gemeinsamen Tagen wunderbar eingestimmt, wir haben viel Spaß miteinander und es ist nie schwierig, bei Entscheidungen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.
Die Aussicht ist beeindruckend, auch ich werde nicht müde davon, obwohl ich diese Berge, Täler, Wiesen, Hänge im unterschiedlichsten Licht und in allen Jahreszeiten kenne.
Bald kommt das smaragdgrüne Juwel des Fedaiasees, dessen Staudamm 1956 erbaut wurde, in unser Blickfeld und wir beginnen den Abstieg hinunter zur Talsohle. Als hätten wir es geplant, beginnt es zu regnen, während wir über die Staumauer laufen! Es ist nur ein Platzregen, der nach dem Mittagessen wieder vorüber ist.
Wir finden ein nettes kleines Restaurant und bekommen sofort einen freien Tisch, da es für die italienischen Touristen noch zu früh für das Mittagessen ist. Alles ist streng durch Plexiglasscheiben getrennt, und es wird sehr auf das Tragen eines Mundschutzes geachtet. Trotzdem ist es in der kleinen Stube sehr gemütlich und das Essen schmeckt vorzüglich.
Für den Nachmittag ist zum Abschluss der Tour noch der Aufstieg zum Pian dei Fiacconi an den Hängen der Marmolada, der Königin der Dolomiten, geplant. Zwei superfitte Gruppenmitglieder wollen sich dieses letzte Highlight nicht entgehen lassen, doch die anderen gehen es gemütlicher an, lassen sich Zeit beim Mittagessen und wollen dann am See entlang Richtung Malga Ciapela weitergehen.
Zu dritt starten wir also gutgelaunt, es scheint wieder die Sonne und wir kommen gut voran. Die Kameras am Handy knipsen und knipsen und fast ohne es zu merken kommen wir über die Vegetationsgrenze hinaus und steigen in einem Steinmeer nach oben, trotz der Höhe fast mühelos.
Bald erreichen wir die Pian dei Fiacconi-Hütte auf 2.626 m. Der alte Korblift, der einst Skifahrer und Bergsteiger hier herauf beförderte und auch die Schutzhütte belieferte, musste 2019 seinen Dienst einstellen. Der Proviant für die Hütte wird zu Beginn der Saison mit dem Hubschrauber gebracht, und außerdem jeden Tag zu Fuß.
Nachdem wir unseren Durst gelöscht haben und uns gegenseitig auf dem Thron der Königin fotografiert und geselfiet haben, ist es Zeit für den Abstieg, den wir doch so lange wie möglich hinausschieben möchten. Auch der Rest der Gruppe ist ganz schön weit gekommen, wir holen sie an einer netten, kleinen Hütte oberhalb von Malga Ciapela ab.
Wir haben noch einen langen, kurvenreichen Weg vor uns bis zur Plose. Es ist schwer zu glauben, dass diese fünf so intensiven Tage bereits zu Ende sind.
Was bleibt, sind viele schöne, bunte, farbige Erinnerungen.